Sonntag, 29. April 2007

Des Widerspenstigen Zählung

Beim Arbeiten mit Palindromen hat man eigentlich nur eine gefühlte Größe für deren Widerspenstigkeit. Oft ergibt sich einiges fast von selbst, während anderes Umwege oder Kunstgriffe erfordert und manches nahezu unmöglich scheint. Gelingt es dann doch, ist der Stolz natürlich groß und man würde das Bezwungene nur allzugerne abwägen können. Wie groß war die genommene Hürde hier? Vielleicht ließe sich ein solcher Schwierigkeitsgrad auch anders beziffern als mit der Daumenpeilung zwischen "easy", "geht so" und "Verdammt!".
Elias Canetti schrieb einmal: "Die Buchstaben sind wie Ameisen und haben ihren eigenen geheimen Staat." Und so kommt es, dass in diesem Gewimmel bestimmte Buchstaben die Hauptarbeit erledigen, während man andere kaum bzw. selten zu Gesicht bekommt. "ASTRINDE" und "MOLCH-LUG" könnten da als Eselsbrücke dienen. Sie enthalten die 15 häufigsten in deutschen Texten vertretenen Buchstaben:


Der scheue Rest ist hier zu finden: Wikipedia. Mit dieser Drei-Klassen-Gesellschaft der Buchstaben lässt sich grob die Gängigkeit von Wörtern abschätzen. Addiert man bei bekannten Palindromen die Werte jedes einzelnen Buchstaben und bildet daraus den Mittelwert, erhält man z.B. für

Reliefpfeiler 8,4
Retsinakanister 8,3
Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie. 8,6


und für die derzeit 18000 Buchstaben meines Romans 7,8. Damit lässt sich das Feld abstecken und sehen, welche Früchte es trägt. Der Mai naht und damit auch die spannende Frage, ob nicht vielleicht alle dreibuchstabigen Worte palindrom(ierbar) sind. Erfahrungsgemäß lassen sich auf diesem Raum sprachlich kaum Hürden aufschichten, die nicht rückwärts wieder abzutragen wären. Fände man hier die Extremfälle, bräuchte man nicht wahllos alle durchzuprobieren. Nach meiner Zählung existieren zwischen "Aal" und "zur" davon immerhin 180 Exemplare. Mit dieser Systematik kann man ganz gut die leichten Fälle aussortieren:

See (14), Tee (13,7), Ehe (13,2), Lee (12,7), Fee (12,2), ein/nie (11,6), den (10,8), Eis/sie (10,7), neu (10,5), die/Eid (10)

das Mittelfeld durchstöbern,

nix (5,8): "Tarot-Kodex in Nixe" - Doktorat
ski (5,3): Metabolit: Skisumme dem Musikstil. Ob Atem?
fit (5,1): Einreiher! Ein Rotstift fit storniere hier nie.
ich (5,1): Nie werd ich Cidre-Wein.
Axt (4,2): Hass & Diabolie: BTX-Axt bei Lob Aids sah.
Wut (4,1): Nie Fakire. Manitu-Wut in Amerika. Fein!
Ruß (3,9): Modell ahnen. Ruß & Urnenhalle: Dom.
lax (3,3): Metaxa: lax Atem.
fix (3,1): Bei dem Taxi fix atme, Dieb!

um sich schließlich den Exoten zu widmen:

bog (2,5): TV-Rennerei: Zodiak alle. Dann Ego-Brevier Brei verbogen, Nadel-Lakai! Dozieren nervt.
Lok (2,4): Kolossal: Lasso & Lok.
Mob (2,3): Bombiges? Eide! Diese gib Mob.
Typ (2,3): Python! Oh! Typ?
zog (2,2): Nein, extra Zelluloid & Armani. Ego-Zeit kam! Aktie zog ein. Am Radio lulle zart Xenien.
Fuß (2,1): Die Ruß-Ufer: Helix. Exilehre: Fuß & Ureid.
Zoo (2,1): So Ozelot-Systole: Zoos.
wob (2,1): Notruf. Ohne Summe dominiert Siegel. Wob Bowle Geist rein im Odem? Musenhof-Urton.
vom (1,9): Vita, du Ast, Top-Movie sei! Vom Pottsau-Dativ.
Jux (1,6): O Grab. Meiji-Jux: Ujiji-Embargo.

Q.E.D. ;)

Natürlich ist dieser Vorhersage-Algorithmus als Anhaltspunkt nicht absolut zu nehmen. Wie die Ameisen folgen auch Buchstaben einigen Pfaden und Verzweigungen häufiger als anderen. Linguisten sprechen angesichts solcher feststellbaren Vorlieben von sogenannten Bi- und Trigrammen. So kann es durchaus passieren, dass man mit wahrscheinlichen Buchstaben auch unwahrscheinliche Konstellationen erhält. "Axt" und "ich" bestehen z.B. aus solch relativ gebräuchlichen Buchstaben, enthalten diese allerdings in einer seltenen Kombination. Diese Art von Wortfindungsstörung können wir uns dann etwas genauer ansehen, wenn mit dem Juni die Frage auftaucht, ob nicht auch alle vierbuchstabigen Worte palindrom(ierbar) sind ;)

Fortsetzung:
  • Des Widerspenstigen Zählung: Teil 2
  • Des Widerspenstigen Zählung: Teil 3