Donnerstag, 19. November 2015

Palindrome goes calligraphy: Papiergeflüster


Die Dresdner Kalligrafie-Gruppe »Papiergeflüster« hat sich in ihrem Jahreskalender 2016 dem Thema Palindrome angenommen. Darin wurden von verschiedenen Künstlerinnen hauptsächlich Klassiker wie 'Rotor', 'Dreh mal am Herd.' oder 'O Genie: der Herr ehre dein Ego.' interpretiert. Was mich dabei noch mehr erfreute - Anja Sickert verwendete für den Juli eines meiner Wortpalindrom-Gedichte:

Unklar

ist genau das,
was wir wollten:
Wir bleiben,
was wir waren.
Wir wurden,
was wir sind.
Wir haben,
was wir bekamen.

Bekamen wir was,
haben wir.
Sind wir was,
wurden wir.
Waren wir was,
bleiben wir.
Wollten wir was?
Das genau ist unklar.

An anderer Stelle in diesem Blog schrieb ich einmal, dass "der Spiegelsprache an sich jede Form von Impulsivität fremd ist. In ihrem zeitlupenhaften Buchstabieren verfliegt alles Leichtfertige: gibt es kein Dahersagen, nichts Unüberlegtes. Wie in den ordnenden Händen eines Schriftsetzers fügt sich alles erst nach und nach zum fertigen Gebilde."

Wobei fertig, wie mir jetzt als Autor klar wird, einzig das Dasein meint: die bloße Existenz der Worte. Sieht man, wie durch die gestaltenden Hände einer Künstlerin noch Form und Geschichte hinzukommen, möchte man fast alle seine Texte illustriert sehen ;) Und ich bin mir sicher: was Palindrome und Kalligrafie vereint, ist dabei die Handarbeit. Jeden Buchstaben einzeln in den Händen zu halten und daraus Verknüpfungen zu formen. Nicht in Geistesblitzen und Sekundenbruchteilen, sondern eher kontemplativ - sinnend und fließend. Für dieses vorgezogene Weihnachtsgeschenk bedanke ich mich recht herzlich bei allen Beteiligten!

Auf ihrer Webseite verrät Anja, wo und wie der Kalender erhältlich ist. Mit etwas Glück auch bei einer Verlosung: wortspuren.com - Papiergeflüster-Kalligrafiekalender 2016

Donnerstag, 9. April 2015

Moderne palindrome Literatur


1924 Steinke, Hermann: Über tausend Rätsel
1968 Thomkins, André: futura. 25. palindrome (vergriffen)
1969 Koehler, Reinhold: Ein Regel Leger nie. Contra Texte in X Lektionen
1970 Fischer, Ada: Mord in Palindrom
1984 Stengel, Hansgeorg: Annasusanna. Ein Pendelbuch für Rechts- und Linksleser
1985 Krauß, Eberhard: Rätsel, Palindrome, Schüttelreime
1990 Grümmer, Gerhard: Palindrome
1990 Pastior, Oskar: Kopfnuß Januskopf. Gedichte in Palindromen
1992 Pfeiffer, Herbert: Oh Cello voll Echo. Palindrom-Gedichte
1992 Frechberger, Thomas: Kalt Wien. Poeme, Gedichte, Palindrome
1995 Dreyer, Ernst-Jürgen: Schielfleisch
1998 Falkner, Brigitta: Tobrevierschreiverbot. Palindrome
2002 Eicke, Harry: Lesen Esel? Verschiedene (weiterlebende?) Sprachspiele (vergriffen)
2003 Frechberger, Thomas: dasreversad. Buchstabenpalindrome (vergriffen)
2003 Kröber, Karl Günter: Ein Esel lese nie. Mathematik der Palindrome
2003 Bruhin, Anton: Spiegelgedichte und weitere Palindrome 1991-2002
2005 Kuschel, Yvonne: Nie solo sein und andere Palindrome
2005 Bruhin, Anton: Reihe hier. 500 Typogramme und 10000 Palindrome
2006 Nehm, Günter: Verspektiven
2006 Kirchlechner, Richard: Kunterbuntes. Wortspiele, Reime, Denksport
2008 Hončar, Nazar: Lies Dich. Performative Dichtungen
2009 Garbe, Burckhard: Von "abbeuteln" bis "zwiebeln". Das Alphabet der witzigsten Wörter
2009 Drexler, Siegmund & Thomas, Peter: Sehnsucht nach Symmetrie
2009 Koehler, Reinhold: Gedichte & Contratexte
2012 Genner, Reinhard: Klassik im Aufwind. 140 poetische Äusserungen
2015 Meyer, Titus: Meiner Buchstabeneuter Milchwuchtordnung -- neu --

Sie kennen weitere deutschsprachige Bücher, die sich mit Palindromen befassen oder
können mir eines der vergriffenen zur Verfügung stellen? Dann schreiben Sie mir bitte.

Titus Meyer: Meiner Buchstabeneuter Milchwuchtordnung


Meyer, Titus: Meiner Buchstabeneuter Milchwuchtordnung Reinecke & Voß 2015, 88 Seiten
ISBN 978-3942901154

Kategorie: Buchstaben-, Silben- und Wortpalindrome
Art: vielfältige Permutations-Gedichte
Empfehlung: für Liebhaber experimenteller Lyrik
Wertung:






 "Titus Meyer hat sich in jahrelanger Übung eine Fertigkeit im Umgang mit Formen wie Palindrom, Anagramm und Homografie erarbeitet, die kaum einer, der solche rigiden Muster selbst erprobte, für möglich hält. Der Verfasser des längsten Palindroms, das in deutscher Sprache bekannt ist, wechselt mühelos Töne und Stillagen. Das hebt seine Arbeiten über das rein Spielerische hinaus. Ein absoluter Agnostizismus erweist sich dabei immer wieder als die Kehrseite strengster Buchstabengläubigkeit."