Sieht man Poeten als Wortmaler an, denen das Leben Modell steht, dann gehörten Palindrom-Autoren wohl zur sonderbaren Abteilung "technisches Zeichnen" ;) Sie haben Staffelei und Farben mit Reißbrett und Fineliner getauscht und arbeiten fernab der Wirklichkeit an abstrakten Machbarkeitsstudien. Entkleidete Wortgerüste, deren Verstrebung, Tragwerk und Statik einem einzigen Konstruktionsgedanken folgt: Spiegelbildlichkeit. Auf diese Weise werden Palindrome niemals lebendig, schön oder funktional, sondern einfach nur symmetrisch und genügen sich darin, dass sie augenscheinlich auf dem Papier funktionieren.
Um so überraschter war ich, als mich die Nachricht von Michael Holzer erreichte, dass er eins meiner Konstrukte
Unklar
ist genau das,
was wir wollten:
Wir bleiben,
was wir waren.
Wir wurden,
was wir sind.
Wir haben,
was wir bekamen.
Bekamen wir was,
haben wir.
Sind wir was,
wurden wir.
Waren wir was,
bleiben wir.
Wollten wir was?
Das genau ist unklar.
Es arbeitet mit dem Symbolgehalt von Palindromen. Durch die spiegelbildliche Verschränkung von Gleichartigem entsteht eine in sich geschlossene, unauflösbare Wortverbindung. Diesen Gedanken hat Michael Holzer aufgegriffen, um daraus ein Hochzeitsgeschenk für seine Freunde zu machen. Das Zauberrad ist damit vielleicht, wonach es im Video stellenweise anmutet: ein kleiner, ein guter Stern, unter dem dieser Bund stehen soll.
Auch für mich als Autor geht dabei etwas Besonderes in Erfüllung - eins meiner Palindrome da zu erleben, wo ich es niemals vermutet hätte: beseelt inmitten der Wirklichkeit. Hier ist es auf einmal Leben, das Kunst veredelt. Eine Umkehrung des künstlerischen Prozesses, dessen Spiegelbild. Bei genauerer Betrachtung: ein Palindrom des Palindromen ;)
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